SKAOS im Interview (2014)

Interview mit Skaos anlässlich ihrer neuen Scheibe "More Fire" (2014) für das Dynamite Magazine. Hier in der authentischen, ungekürzten Fassung!

 

 

mit neuer Scheibe "More Fire" mit neuer Scheibe "More Fire"

SKAOS

 

Einer der ältesten deutschen Ska-Bands tauchen nach krassen neun Jahren Veröffentlichungsabstinenz wieder auf und präsentieren auf ihrer Deutschlandtour das neues Album „More Fireˮ. Die achtköpfigen, bayerischen Skaos beweisen einmal mehr, dass Totgesagte länger leben. Mit dem achten Album wird eine recht solide Reihe fortgesetzt, die bereits 1982 in einem Krumbacher Kellerraum begann. Mit Gründungsmitglied und Sänger Wolle sprachen wir über das ganz alltägliche Chaos, chronische Wiedergeburten und den typischen Skaos-Sound auf der neuen Produktion.       


DerDUDE/DYNAMITE: In 1982 lautete euer Bandname ursprünglich „Chaosˮ. Daraus wurde mit der Zeit „Skaosˮ. Wie viel Chaos und wie viel Ska(os) steckt in der Band?

 

Wolle: Das Chaos überwiegt zum Teil schon, was sich leider auch beim ziemlich verspäteten Abgabezeitpunkt des Interviews bemerkbar macht.

 

DerDUDE/DYNAMITE: In zahlreichen Artikeln werdet ihr als die „Invincible Sevenˮ - die unbesiegbaren Sieben - bezeichnet. Mal abgesehen von der aktuellen Besetzung mit acht Musikern, wie kamt ihr zu diesem heroischen Pseudonym?

 

Wolle: Der Begriff entstand irgendwie im Zusammenhang mit dem Song „The Magnificent Sevenˮ von The Clash, auf dem Album „Sandinistaˮ aus dem Jahr 1981. Wir arbeiteten an einem Instrumentalstück und ich shoutete an einer Stelle einfach mal „The Invincible Sevenˮ, weil es mir gerade so einfiel. Das passte irgendwie zu der musikalischen Stimmung in diesem Lied, das dann auch den Titel „The Invincible Sevenˮ bekam.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Seit Sage und schreibe 32 Jahren ist Skaos nun international in der Ska-Szene unterwegs. Auch wenn es einige Unterbrechungen gab, erschreckt einen so eine Zahl oder macht sie auch etwas stolz?

 

Wolle: Beides! Jedenfalls bin ich sehr dankbar, dass ich immer noch meine Musik machen kann/darf und es auch noch Leute gibt, die (genauso) darauf abfahren können. Ich denke, ich spreche da auch für den Rest der Band, auch wenn nicht alle bereits so lange dabei sind wie ich.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Bei unserem letzten Interview 2005 lag das Durchschnittsalter der Band bei 32 Jahren. Das jüngste Mitglied ist euer Saxofonist, Daniel „Fraizichˮ Friedrich, der bei der ersten Scheibe noch nicht geboren war. Ein zeit- und altersloses Projekt oder vielleicht sogar Phänomen?

 

Wolle: Ich musste gerade ziemlich lachen, als ich das mit „Fraizichˮ gelesen habe, es wurde mir auch gerade erst beim Lesen der Frage wieder bewusst, dass er mit knapp 30 noch „relativˮ jung und immer noch der Jüngste in der Band ist. Keine Ahnung, wie hoch das Durchschnittsalter momentan ist – etwas höher eben ;-).

 

DerDUDE/DYNAMITE: Zwischen 1991 und 1995 steckte die Band in einer tieferen Krise bzw. existierte lediglich auf Privatpartys. Alternativprojekte wie „Fun Republicˮ wurden ins Leben gerufen. Erst die Rückkehr eures Gitarristen Prince Elli aus Brasilien, Ende 1994, führte euch wieder zusammen. Was war geschehen? Was machte den brasilianischen Zauber aus?

 

Wolle: Ich denke, Elli hatte von allen – auch durch die räumliche Entfernung – den meisten Abstand zu Skaos gewonnen und war in die brasilianische Indiemusik eingetaucht. Er hatte nach zwei Jahren, bei seiner Rückkehr, jede Menge musikalische Mitbringsel dabei. Uns gefiel das (für uns neue) latinobeeinflusste Ska-Reggae-Gemisch, das dort einige Bands spielten, sehr und wir ließen es bei unseren Sessions in einige neue Ideen einfließen. Einige Zeit später kamen ja dann auch langsam immer mehr Latino-Ska-Bands auf Tournee nach Deutschland.

Cover "More Fire" (2014) Cover "More Fire" (2014)

DerDUDE/DYNAMITE: Die achtziger und neunziger Jahre sind auch für eine Art musikalische Aufbruchsstimmung bekannt, wo gerne mit einfachen, geradlinigen Musikstilen gebrochen wurde. Skastile wurden gemixt, erweitert oder verfremdet; auch neue Skawellen geprägt. Seht ihr euch da in einer Linie mit der Entwicklung?

 

Wolle: Wir haben unserer Meinung nach schon immer unseren eigenständigen Skaos-Sound gemacht, aber wir werden natürlich immer irgendwelchen musikalischen Einflüssen ausgesetzt, die sich dann irgendwie in den Stücken niederschlagen.

 

DerDUDE/DYNAMITE: In Interviews ist zu lesen, dass ihr einfach Zeit für eure Songs braucht. Ihr habt auch keinen eigenen oder speziellen Songwriter. Ist das der eigentliche Grund? 

 

Wolle: Früher trafen wir uns wöchentlich, manchmal sogar mehrmals in der Woche, zum Proben. Heute ist das zeitlich nicht mehr drin, wir machen ein bis zwei Sessions im Monat und schneiden das entstandene Material mit. Später wird bei guten Ideen weiter daran gefeilt. Einen speziellen Songwriter haben wir nicht. Die Lyrics und Textmelodien stammen meist aus meiner Feder, ansonsten sind unsere Stücke Gemeinschaftswerke, wo jeder seinen Input gibt. Wir haben halt das Glück, dass jeder von uns auch bereit ist, bei seinen Ideen zurückzustecken und nicht eine Idee „ohne Rücksicht auf Verlusteˮ durchzudrücken – mit dem Ergebnis, dass der Rest der Band das Stück dann ohne Herzblut und Böcke runterleiert. Ich finde, das spürt man bei manchen Bands.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Die Bandmitglieder wohnen wenige Kilometer voneinander entfernt. Manch eurer Stücke entstehen nicht nur im Proberaum, sondern mittlerweile auch online. Wie funktioniert das?

 

Wolle: Das ist eher selten der Fall, aber dank Garageband und Co. können manche Ideen auch ohne Band auf dem PC entworfen werden, um sie den anderen zu verdeutlichen. Manchmal bekomme ich einen Backingtrack ohne Gesang und Bläser und singe dann per Mikro einfach meine Einfälle dazu.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Skaos ist einer DER deutschen Ska-Livebands. Stimmt der Eindruck, dass die Livekonzerte euch einfach wesentlich wichtiger sind, als die Publikationen?

 

Wolle: Ja, das stimmt und ich denke, da geht es den meisten Skabands genauso. Ein Album markiert meiner Meinung nach immer ein bestimmtes Kapitel im Leben einer Band und die Musik wird quasi konserviert. Ein gutes Livekonzert ist immer geil, egal, ob man alte oder neue Stücke spielt.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Das sehr gute, letzte Album, „Pocamaniaˮ (2005) hat in den Medien Aufsehen erregt, weil es das Thema der jamaikanischen Woodoo-Kult-Partys aufgriff, was sicherlich auch eine Metapher darstellte. Nach Vorne geblickt, stellt sich die Frage, warum das neue Album „More Fireˮ, das im April erschienen ist, fast neun Jahre auf sich warten ließ?

 

Wolle: Puh. Ich glaub einfach, das liegt am Phänomen, dass die Zeit viel schneller vergeht, wenn man älter wird. Es hat eben einfach so lange gedauert. Die Zeit war für uns noch nicht reif, oder so ähnlich. Liedideen waren eigentlich genügend da und bei den zurückliegenden Livekonzerten haben wir auch neue Stücke immer wieder ins Programm genommen um zu sehen, ob das Publikum auch darauf anspringt oder nur wir Musiker. Aber auch um nicht immer den „alten Stiefelˮ zu spielen, es macht mit frischen Stücken im Programm schon mehr Spaß.

 

DerDUDE/DYNAMITE:Was erwartet den Skafan auf der neuen Scheibe? Back to the roots? Skaos 2020 oder einfach solider, charakteristischer Skaos-Sound? Welche musikalischen Einflüsse sind zu erwarten?

 

Wolle: Auf jeden Fall solider, charakteristischer Skaos-Sound, gespickt mit so allerhand Gewürzen und Zutaten. Ich kann es schlecht in Worte fassen. Zieht es euch einfach rein!

 

DerDUDE/DYNAMITE: Ein Feuer kann entfacht werden oder es wird aufrecht erhalten. Die Glut früherer Feuer wird zu einem neuen, großen Feuer(-werk) entflammt. Ein Licht? Ein Lebenszeichen? Ich kann aber auch mit neuem Material um mich „feuernˮ. Besitzt der Titel „More Fireˮ einen tieferen Sinn?

 

Wolle: Ich denke schon, dass es im Sinn von „Lebenszeichenˮ gedeutet werden kann. Wir ruhen uns nicht aus, wir sind noch da und haben Spaß an der Musik und am Skaos. Wir wollen mehr und unsere Fans hoffentlich auch! Eben „More Fireˮ.

 

DerDUDE/DYNAMITE: „Do The Shingalingˮ habt ihr extra für das Dynamite Magazine aufgenommen oder? Der Rockabilly und Rock'N'Roll lässt grüßen. Wer ist denn da bei der Bandprobe ausgeflippt?

 

Wolle: Ganz so exklusiv verhält es sich leider nicht (lacht). Die Idee hatte unser Drummer, als er sich eine Scheibe mit altem 60ies-Sound angehört hatte und wir sind voll darauf eingestiegen.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Nicht nur im Hinblick auf die letzten 30 Jahre, sondern auch im Rückblick auf das letzte Album „Pocomaniaˮ, wie haben sich die Texte mit der Zeit verändert. Was sind die aktuellen Themen des neuen Albums?

 

Wolle: Die Inhalte gehen von trivial bis kritisch und nehmen auch zu aktuellen politischen Themen Stellung. „Surferin Timeˮ z.B., ist ein Appell, mit dem Morden an der Syrischen Bevölkerung aufzuhören; bei „Johnnyˮ geht es um das nicht enden wollende Thema „Neo-Nazis und Rassismusˮ, aber auch Texte zum Thema Liebe, Lebensfreude, Tanzen und über die kleinen Dinge des Alltags.

 

DerDUDE/DYNAMITE: In über 30 Jahren wandeln sich nicht nur Gesellschaft und Musik, sondern auch die jeweilige Persönlichkeit und das Leben eines Musikers. Berufliche Entwicklungen und familiäre Festigungen sind oft das Aus für das musikalische Engagement. Wie sieht es bei dir aus, Wolle, einem der Gründungsmitglieder?

 

Wolle: Stimmt. Einige Bandmitglieder haben mittlerweile Kind, Frau und zum Glück auch Jobs. Skaos war ja noch nie ein rein kommerzielles Projekt, das hat sich nie so ergeben. Ich selbst bin zweifacher Vater. Bis heute hat Skaos und die Musik aber immer noch einen wichtigen Platz im Leben behalten, was oft schon beachtlich Energie und Organisation erfordert. Aber wenn das Feuer noch brennt, geht alles! Also nix mit Essen, Arbeiten, Essen, Sofa, Fernseher, Bett usw.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Euer zweites Album „Catch This Beatˮ wurde auf dem damals recht jungen, Berliner Label Pork Pie veröffentlicht. Nach „Pocomaniaˮ, das auf dem Ska Revolution Records Label erschien, seid ihr heute wieder zum alten Label zurückgekehrt. Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Und ist die Entscheidung für Pork Pie die logische Konsequenz: Zurück zu den Wurzeln?

 

Wolle:Eigentlich sind wir seit dem zweiten Album 1989 bei Pork Pie geblieben. 2005 war es leider aufgrund der Insolvenz von Vielklang, dem Mutterlabel von Pork Pie, nicht möglich das Album „Pocomaniaˮ auf dem Pork Pie-Label zu veröffentlichen. Matzge von Pork Pie arrangierte damals einen Deal mit Ska Revolution Records, dem Label der Busters, aber im Prinzip lief die Sache quasi über Pork Pie. Wir sind Matzge also bis heute treu – also bei den Wurzeln – geblieben.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Existiert eigentlich der Keller- und Proberaum des Bassisten aus 1982 noch, wo alles begann? (lacht)

 

Wolle: Ha! Der Keller existiert bestimmt noch! Das Haus der Eltern unseres damaligen Bassisten und späteren Saxofonisten Pedro steht jedenfalls noch. Was in unserem damaligen Übungsraum momentan alles untergebracht ist, weiß ich leider nicht. Wir treffen uns aber demnächst zusammen mit Prince Elli, auf ein Bier, da kann ich ihn ja mal fragen.

 

DerDUDE/DYNAMITE: Grundsätzlich eine blöde Frage, aber bei euch, aufgrund der Historie, angebracht. Mit was überrascht uns Skaos in fünf oder zehn Jahren? Konstanz, Rebellion oder geordneter Rückzug? 2031 die Golden Edition?

 

Wolle: Ich sag nur „More Fireˮ! Ich habe ehrlich gesagt keinen Schimmer, aber momentan denkt keiner von uns ans Aufhören. Tock-tock-tock!

 

DerDUDE/DYNAMITE: Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Spaß auf der laufenden Deutschlandtour.