CD-Reviews 2001

Wisecräcker

Wisecräcker - I'd Rather Be Down With The... (2001)

 

Hiya, Hossa!
Da kam nochmal eine Scheibe auf meinen Schreibtisch geflogen, die mich, nun schon seit des Eingangs vor mehreren Wochen, nicht mehr los lassen will!
Rubrik: Ska-Punk der Extraklasse!

Die Begründung fällt nicht schwer, denn, was die Wisecräcker aus Hannover hier mit ihrer CD "I'd Rather Be Down With The..." im Jahre 2001 ablieferten, kann als absolut klasse Mischung verschiedenster Richtungen, Sprachen und spielerischer Coverversionen charakterisiert werden. Und das faszinierende ist: Es passt alles irgendwie auch zusammen - nicht(!) zusammengewürfelt!

Zunächst erschrickt man vielleicht etwas beim ersten Song (It's up to you), denn es ist ein englisch-deutschsprachig getexteter Song, der im ersten Teil akkustisch einer Jugendska-Band gleicht - textinhaltlich ;-).
Wenige Sekunden später - im gleichen Song - wird dann aus der gerunzelten Stirn ein "entspanntes" Lächeln:
"Ska-Punk-Core mit viel Tuten und Blasen", wie es auch auf ihrer Homepage  heisst. Und das kommt dann auch ... sehr ruppig z.T. und dennoch melodisch; rockig und viel bläserbetonter, schneller SKA, der von einer tollen, etwas rauheren Stimme/n der/des Sänger/s (Mendez/Keeex) begleitet wird. Die Geschwindigkeit wechselt in spannender und angenehmer Weise. Wohl gemerkt, es ist kein Punk-Ska! Etwas abgedreht wirkt es eher, wenn ich da an den Song "Lovetheme of the Godfather" denke, welcher von einem Sprecher/Erzähler begleitet wird ;-); oder das 17. Lied anhöre, welches überhaupt nicht auf der CD verzeichnet ist, aber nach ca. 3 Minuten ertönt - russisch angehaucht? *lach*

Die nächste Mischung besteht aus den drei Sprachen - englisch, spanisch und deutsch! Einfach klasse! Auch hier gilt: Die Mischung ist perfekt!
Dass es mehr zu erzählen gibt, hat einen weiteren Grund, da auch gute (!) Coverversionen z.B. von "Final Cuntdown" (auch auf dem Sampler Ska-Chartbusters zu finden s. Kritik u.) und "too drunk to f**k" vorhanden sind, die die ganze Scheibe wirklich abrunden.

Nach der ersten CD von 1998 ("... de puta madre"), ist den Wisecräcker hier wirklich etwas gelungen, was den meisten Bands noch bevor steht - die postmoderne Mischung aus Allem und Jedem zu einer klangvollen und melodischen Vereinigung zu führen, ohne dass die phantasievolle und abwechslungsreiche Vielfalt auf der Strecke bleibt - und der Punk-Rock gehuldigt ist. Jedem Instrument und jeder Stimme (mit gutem Backgroundgesang) steht die Bühne wechselweise zur Verfügung, bis sie sich zu einer voluminösen Vereinigung treffen - die Bläser gewinnen natürlich meistens ;-)!


Das Durchschnittsalter der Band von 27 Jahren spricht für einige Erfahrung, die auch zu spüren ist, denke ich.


Bei 17 Songs ohnehin eine gute "Investition" und von meiner Seite in jedem Fall eine Empfehlung wert! Es lebe der Ska-Punk!

 

DerDUDE

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First8

First8 - nothing in common (2001)

 

"Seit wann hörst du wieder Punk?", klang es aus dem Munde eines Freundes, als er an meiner Tür vorbei ging. "Punk?", antwortete ich verdutzt, "ähm, ja, nein...ähm...". Aber da war er auch schon weg.

Sowas kann einem schon mal passieren, wenn man sich die neue Scheibe von First 8 - "nothing in common" (2001) - zu Gemüte führt.
Was die sieben Saarländer, um den Sänger Tobias König, nach dem CD-Debut von 1999 ("...some help?"), hier hervorgebracht haben, nennt sich aus ihrem Munde "Ska+Punk+X" oder "Skacore".
Erstere Bezeichnung trifft wohl eher zu, wobei für das "X" eher der Rock als Reggae oder Pop einzusetzen wäre.

Nun habe ich sie mir zwei Wochen lang täglich angehört - und die Zeit brauchte ich auch irgendwie. Denn: Das ist zum Teil schon sehr deftiger Punk, der da durch die Röhren geknallt kommt und durch eine ebenso punkige Stimme des Sängers unterstützt wird. Und dann passiert es plötzlich wieder, dass man vom einen auf den anderen Augenblick in fast soulige, seichte (Bläser-)SKA-Klänge zurückgeworfen wird, als wenn man sich von den E-Gitarren(-solo) erholen wollte.

SKA meets Punk, so würde ich die Musik beschreiben, wobei der Einfluß der Mighty Mighty Bosstones unüberhörbar ist. Auffällig ist, dass sich die beiden Musikstile scheinbar in einer Atmosphäre der Koexistenz darstellen. Ich meine damit, dass wenn Schlagzeug und Gitarre den Punk huldigen, bleiben auch die Bläser weitgehend Stille. Ebenso umgekehrt, bekommen die (gut gespielten) Bläser ihren Raum, wo sich dann die E-Gitarre mehr in leise Töne hüllt. Klar Überschneidungen gibt es auch ("no idea" oder bei "are you scared?"), aber vielleicht ist es keine schlechte Idee, denn der "Kampf" Bläser gegen Schlagzeug und Gitarre, wie ich es von anderen SKA-Punk-Bands kenne, geht häufig zu lasten des SKA. Aber es gibt auch schnellen, weniger punklastigen Ska, wie der 2. Song der Scheibe "right or wrong, my country" zeigt.

Ergebnis der "Analyse": SKA-Punk mit häufigen und schnellen Rhythmuswechseln zwischen SKA und Punk, mit einer punkigen Sängerstimme, an die sich manch einer vielleicht erstmal gewöhnen muss (ich zumindest ;-). Hat man sich einmal eingehört, und man weiß worauf man sich einläßt, macht es dann auch wieder Spaß, sich von schnellen und lauten Tönen in die Höhe reissen zu lassen, um sich dann wieder von den sanfteren Klängen der Bläser auffangen zu lassen. Fazit: Individueller Ska-Punk, der in dieser Richtung sicherlich noch viele Hörer und Freunde finden wird. (Sogar mein oben erwähnter Freund, hat nun eingesehen ... hier kommt SKA-Punk! ;-) Dass diese Band live der Hammer ist, kann man sich einfach sehr gut vorstellen.

 

DerDUDE

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Skafield

Skafiled - Fasten Your Seat-Belts (2001), Leech Records

 

Der CD-Titel ihres Debut-Albums ist nicht rein eine Deskription, er ist eine Aufforderung und ein Warnhinweis zugleich! Was die 8 Saarländer hier produzierten, ist deftiger "Ska-Hardcore und Punkrock", so die Aussage von Joe. Die Information der Pressemitteilung "hard hitting skapunk" verweist ebenso darauf, dass hier der Jazz- oder traditional SKA nichts verloren hat. Es ist schon etwas heftiger, wie man es beispielsweise von First 8 gewohnt ist.

Und in der Tat, die nicht ganz unerfahrenen Skafield (gegründet 1997), greifen hier mal kräftig in die E-Gitarrenseiten, wobei dann die charakteristische, zum Teil aggressive Punk-Stimme des Sängers (liegt natürlich auch am Inhalt der Texte), die Bässe der Boxen schon mal heftig zum vibrieren bringt. Das selbstverständliche Schlagzeug (was auch immer ich damit meine), leistet sich einen kräftigen Schlagabtausch mit den vorbestimmenden E-Gitarren. Und dann ist alles plötzlich wieder doch alles ganz anders...

Die leider nur durch 9 Songs bestückte Scheibe, ist prädestiniert dafür, sie Stück für Stück zu beschreiben ...

Los geht's!

"Intro"/"not enough" ... Also mit Aufwärmsong hat dies gleich mal nichts zu tun. Die The Clash-mässige Stimme, kämpft sich da schreiend durch die Kompositionen von Bläsern und Gitarren durch und wird durch den Backgroundgesang unterstützt. Die punk- und ska-mässigen Rhythmen sind nicht gerade unbekannt, aber diese Mischung hinzubekommen, ist jedenfalls eine klasse Leistung.

"Fate of Tomorrow" ... zeigt wieder, dass der Punkrock deutlich die Vorherrschaft übernimmt - die Bläser wirken da dann eher als Beiwerk .... Man ist das alles flott ... nichts für seichte Gemüter ... Wieso kommt mir gerade der Begriff "Heavy Metall" in den Kopf ... wer weiss warum ? ...

"Smooth Song" ... Boahr!! Klasse! Der Sänger bekommt eine klarere, rudige Stimme, ein Klaviersound wird begesteuert und die Bläser übernehmen das Feld ... ein bisschen Beatles-Einfluss meine ich auch rauszuhören, am Anfang jedenfalls ... klasse Komposition und abwechslungsreich zugleich ... absolut tanzbar!

"You Should Know" ... Jetzt angeschnallt und hinhören ... kurz, heftig und klasse ... volles Volumen ... dass ist das, was sich die SKA-Gemeinde auf Konzis wünscht ... leider zu kurz ... weit unter einer Minute :-(

"Summer of '97" ... Den Atem der Bläser möchte ich gerne mit meiner verrauchten Stimme haben ... ich denke von einem Notenblatt sind die Noten kaum so schnell abzulesen, wie sie hier geblasen werden ... der "Kampf" mit den E-Gitarren geht weiter ... diesmal mit zwischen-melodischem Intermezzo, was ziemlich klasse rüberkommt ... *lasst uns hüpfen* ...

"Hard to Take" ... tschüss Bläser in den Background und auf geht's zum stimmenbetonte Punkrock. Und doch sind sie wieder da, wieder nicht, dann doch... ein hinundher...punk, rock, ska, Heavy M. ... hier wird es einem dann schon mal etwas schwindelig ...

"Sell outs" ... übertrifft dann fast alles ... die Stimme mutiert zu einer Aggression, die nur zu einer Heavy Metal Band passt. So ist es, sorry Joe! Dass hat dann auch nichts mehr mit SKA zu tun ... Dass der inhaltliche Text überhaupt auf die kurze Zeit gesungen werden kann, ist wiederum schon wieder eine Leistung ! ;-)

Last but not least: "What Time Is It" ... Mal davon abgesehen, dass hier z.T. was anderes gesungen wird, als der Titel es sagt "What time it is?" ;-)) ... gefällt das letzte Stück wiederum durch seine Variation zwischen Punkrock und Ska ... für mich eines der charakteristischsten Stücke des Albums ...

Mein (!) Fazit: Der Titel "Fasten Your Seat-Belts", passt einfach perfekt! Die Bude, die diese Band live aushält, muss schon recht robust sein, denn was auf diesen Konzerten los ist, wage ich nur zu erahnen! Eine Scheibe die klassisch in die Ska-Szene der End-2000ender Zeit Platz findet ... SKA-Punk pur - oder doch Punk-Ska, um nochmal den Begriff in die Runde zu werfen? Manchmal etwas zu durcheinander, experimentell, wie ich finde ... , aber wer Ska-Punk mag, hat etwas verpasst, wenn er diese Scheibe nicht sein Eigen nennt! Ich freue mich jedenfalls, wenn ich sie auf dem nächsten Konzert mal live erleben darf! Watch out!

DerDUDE (Januar 2002)

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Yellow Umbrella

Yellow Umbrella - Flight No. 20-8-3 (2001) Rain Records

Yellow Umbrella - Les Schuhkarton-Tapes (2002) Rain Records 

 

Da haben die Jungs wahrhaftig in den Schuhkarton mit den Tapes ihrer vielen Reisen gegriffen und mal eine Auswahl ihrer zahlreichen Liveacts/-tapes zusammengestellt. Viele Songs sind eben auch auf der oben besprochenen Scheibe drauf. Hier sind es dann 16 Stücke geworden.

Manchmal macht es Sinn, einfach aus dem CD-Cover zu zitieren - z.B. hier ;-)

"Mit diesem Album wollen wir euch daran teilhaben lassen und euch mitnehmen auf eine Reise durch Raum & Zeit, Reggae & Ska, Ost & West, Schwarz & Weiß, Lolek & Bolek, Hurvinek & Speibl, Mirelle & Matthieu usw.

Denn für euch machen wir den ganzen Scheiß:
An einem Tag 1600 km über europäische Autobahnen fahren in einem Bus, den Jürgen's Großvater als Neuwagen kaufte, jeden Tag das Instrument stimmen, zu viert im Doppelbett schlafen (ohne Frauen!), jeden Morgen aufwachen und genau wissen, welche Gesichter man den ganzen Tag um sich haben wird und jeden Morgen aufwachen und nicht wissen, ob man wieder zu viert im Doppelbett (ohne Frauen!) schlafen muß.
Aber der Gedanke an Euch gibt uns Kraft."

Beschreiben kann dieses Zitat die Musik zwar nicht, aber es zeigt Sinn und Zweck dieses Albums auf leicht humoristische Weise ;-)

Was diese Scheibe von der ersten unterscheidet ist, dass sie live ist. Und das ist gut so! Soo seicht, wie ich die Songs und Klänge dann im Kontext der 2001er CD beschrieb, ist es dann hier nicht mehr so ganz. Es ist zwar bei Weitem immer noch kein SKA-Core (soll es ja auch nicht sein), aber es wirkt halt anders, wie man es von vielen anderen Bands auch kennt, wenn sie mal live "das Haus rocken". Mein Tipp ist hier z.B. Song 10 "It's So Easy" oder Song 12 "Rise & Fall". Nicht zu verpassen ist dann hier auch Song 15 "On May Way", mit der schnellste (SKA-)Song der Scheibe. Hier wird es dann schwer sein, seine Glieder still zu halten und einen Tanz/Skank zu verweigern ;-)

Mein (!) Fazit:
Nach kurzen, anfänglichen Schwierigkeiten, weil ich eher schnelleren SKA bevorzuge, lernt man schnell die Vorzüge der Yellow Umbrella kennen. Lernt man, sich von der (kulturellen)Stilvielfalt faszinieren zu lassen, die entweder in melodisch-gängigen Reggaeklängen eingebettet sind oder eine Komposition mit dem SKA eingehen.
Mir fallen die "Wisecräcker" als Vergleich ein, weil sie eine ähnliche Reisebiographie besitzen und es ebenfalls mögen, Stile zu mischen, auch wenn sie schnelleren SKA machen (Für diesen Vergleich lyncht man mich wahrscheinlich jetzt wieder...bitte nur kleine Steine!).
Bläserbetont, spaßig, mit gutem Gesang, finden wir hier 2 CDs, von denen ich euch persönlich die Zweite, also die Live-CD empfehlen möchte, und das eben nicht nur wegen den 2 Songs mehr drauf.

Das die Yellow Umbrella im Westen der BRD (noch) nicht so bekannt sind, führe ich jetzt mal etwas scherzhaft darauf zurück, dass sie öfters in Polen oder Frankreich sowie in der ganzen Welt spielen, als hier bei uns ;-), was der umfangreiche Konzertkalender aus 2001 zeigt. Vielleicht ändert sich das ja in Zukunft. Zu wünschen ist dies uns Ska-People jedenfalls - und der Band allemal.

DerDUDE
(Februar 2002)