PieroDread - Real Yibes 2013 PieroDread - Real Yibes 2013

PieroDread, Real Yibes, Goodfellas, CD 11/2013 (Roots-Reggae / R&B / Dub)

 



Mr. PieroDread is in da house. Dass es sich bei "Real Yibes" um ein Debüt-Album handelt täuscht vielleicht etwas darüber hinweg, dass hier einer der Meister des Roots-Reggae am Start ist. Weit über zehn Jahre prägt der italienische Musiker PieroDread, mit richtigem Namen Pietro Comite, die Reggae-Szene als Sänger, Produzent, Techniker und Autor.



Nach den Singles "So Precious" und "Leave You No More" nun also die geballte Power auf einem schicken, bunten Digipack, welches fette 15 Songs bereithält. Unter dem Einfluss unterschiedlichster Produzenten ist eine solide und ehrliche Komposition aus Roots-Reggae, R&B Sounds und Dub entstanden, welche durch einige, bekannte Gastmusiker wie Jah Son, Askala Selassie, Raphael sowie Mojo Morgan unterstützt wurde. Die englischen Texte werden durch Patois ergänzt, wobei inhaltlich, wenig verwunderlich, die Themen Liebe und Soziales im Vordergrund stehen. Dass bei so vielen Mitproduzierenden eine so stimmige und runde Sache entsteht, ist schon sehr beachtenswert. Da stimmt es mal nicht, dass viele Köche usw. Freunde vom Roots-Reggae werden hier ihre helle Freude dran haben.

DerDUDE

__________________________________________________________________________

Judge Dread, The Early Years, Cherry Red Records, 2 CD Edition



Judge Dread, mit richtigem Namen Alexander Minto Hughes, gehörte sicherlich zu einer der umstrittensten, vielfältigsten und abgedrehtesten englischen Ska- und Reggae-Musiker der siebzieger und achtziger Jahre. Vielleicht auch der, der am meisten Verwirrung stiftete und oft auch missverstanden wurde. Seinen Künstlernamen entlieh er sich von einem Song von Prince Buster "Judge Dread" (Blue Beat 1967), der ihm bei Trojan Records eine wichtige Tür öffnete.

 

So richtig normal war das gesamte, musikalische Schaffen sowie das Leben nicht, wobei er persönlich als recht angenehm und ausgeglichen beschrieben wird. Er starb 1998 mit frühen 52 Jahren, natürlich auf der Bühne bei einem Konzert. Klar! Und das ist nicht (!), wie er es liebte, ironisch gemeint. Seine Werke sind teils schrill, laut und dubios. Alleine mit einem Kassettenrekorder auf der Bühne und seinen Texten, seiner Stimme vermochte er die Fans zu verzaubern und in seinen Bann zu ziehen.

 

Deutlich von den Rude Boys in England geprägt bleibt das Markenzeichen, als einer der ersten Weißen, große Reggae-Erfolge bis hin in die englischen Charts (Platz 11, 1972 mit "BigSix") zu verzeichnen. Der Erfolg blieb auch in Jamaica nicht aus, wobei der Legende nach das Cover mit seinem weißen Gesicht verdeckt wurde. Weiße können keinen guten Reggae produzieren. Der "Richter" veröffentlichte zwischen 1974 und 1996 sage und schreibe elf Alben und 34 Singles, wovon nicht unerheblich viele der Zensur der BBC zum Opfer fielen, weil die anzüglichen, schlüpfrigen und teils pornografischen Texte als unangemessen empfunden wurden. Der "Richter" wechselte dann öfters seinen Künstlernamen und auch die Labels, was wohl offensichtlich wenig nutzte und ihm den Ruhm einbrachte, der Künstler mit den meisten Zensuren bei der BBC zu sein. Dabei war es für Alexander nicht ganz abwegig, auch viele Songs zu covern, so z.B. "My Ding-a-Ling" oder "Jamaika Jerk (Off)".

 

In seiner Heimat wurde er nicht wirklich ernst genommen. Er galt für viele als Komiker der Musikszene, als Clown, und wurde nicht selten belächelt. Im Ausland und von der Skinheadszene hingegen wurde er verehrt. Beides wirkt irgendwie übertrieben. Das ist dieser zwiespältige Charakter dieser Kultfigur, der sich auch in den Songs spiegelt. The Early Years ist ein Versuch, diese Stimmungen, diese zerreißenden Eindrücke und musikalischen Entwicklungen vertont zu beschreiben. Es ist eine schwierige Reise, die Spaß macht und auch tief blicken lässt. Verstehen muss man den "Richter" wohl nicht immer. Ohne diese Vorrede wird man die Doppel-CD-Edition bestehend aus 28 teils seltenen Liveaufnahmen nicht voll verstehen. Erneut eine krasse Reise in eine vergangene Zeit, auf die man sich offen einlassen kann und muss.

DerDUDE

________________________________________________________________________

 

Schöne, lange, amüsante Geschichte(n) zu Judge Dread, erzählt im Moloko Plus, findet ihr hier.

________________________________________________________________________

Bad Manners - This Is Ska 2 CD Edition 2013 Bad Manners - This Is Ska 2 CD Edition 2013

Bad Manners, This Is Ska, Cherry Red Records, 2 CD Edition (2013)

 

Der in London geborene, mittlerweile 55-jährige gute, alte Buster Bloodvessel ist der höchst charakteristische Sänger der Band Bad Manners. Nein der Kultgruppe Bad Manners, die wie viele 2-tone-Bands der zweiten Welle Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger einen krassen Hype erlebten, jedoch genauso schnell in der Ratlosigkeit der schnellen Musikszenen und -stile verschwanden, da die schönen hohen Wellen schneller abebbten als sie den Schaumkronen nachschauen konnten.

Neun Singels schafften es damals in die Charts. Später wurden die Zeitspannen der Veröffentlichungen immer größer: 1980, 1981, 1982, 1985, 1989, 1992, 1997 und zuletzt 2003. Da macht die Metapher der krachenden Wellen, die sich überschlagend im Sande verlaufen schon eine Menge Sinn.

 

Wenn, tja wenn da nicht die eifrigen Labels wären, die es nicht scheuen, wieder einmal eine Edition herauszubringen. Here we go: This Is Ska. Ein Potpourri aus zwei Jahrzehnten Schaffens des nicht mehr ganz so dicken Mannes, dessen Markenzeichen, seine  lange Zunge, schier bis zum Brustkorb reicht. Und hier erklärt sich auch die  lange, historische Einleitung. Zwei Scheiben mit je 16 Stücken prügeln sich ins Gehirn und bemühen bei Manchen sicherlich Erinnerungen an alte Zeiten. Die zweite Scheibe im Paket ist ausschließlich mit Livestücken gespickt. Gott sei Dank haben die Macher es geschafft, keine Dubletten zu produzieren. Sprich ein und das selbe Lied auf beiden Silberlingen zu legen. Hier hält der 2-Tone in seinen ganzen Facetten Einzug. Oft eher gemächlicher, oft melodischer, oft variantenreicher und mit musikalischen Gästen.

 

An Klassikern mangelt es nicht: My Girl Lollipop, Lip Up Fatty, This Is Ska, Lorraine und viele, viele andere Kultsongs reihen sich aneinander. Die Liste lässt sich fast beliebig fortsetzen. Es sind Liveaufnahmen. Alte Liveaufnahmen. Und das hört man natürlich. Wer die zweite Ska-Welle in den 80er Jahren verstehen und hören will, benötigt neben Madness, The Beat, The Specials und The Selecter u.a. sicherlich auch die Bad Manners auf den Ohren. Das ist klassischer 2-tone Ska wie er auch von vielen, echten Skinhead geliebt wird. Gefühlte Ska-Geschichte.



Ganz ehrlich: Ein wenig habe ich mich an den Songs satt gehört. Das heißt aber nicht, dass die fast 17 Euro grundsätzlich falsch investiert wären. Derjenige, der den Sound mag ist prima und sehr komplett bedient. Geldmacherei hin oder her. Spurenlese an den Sandstränden, wo einst die großen, musikalischen Wogen zu brechen begannen, ist großes Kino.

DerDUDE

_________________________________________________________________

Distemper - Pride Belief Love Distemper - Pride Belief Love

Distemper, Pride Belief Love, Flat Daddy Records, CD 2013

1989 war nicht nur das Jahr der Maueröffnung und der Fall des eisernen Vorhangs, sondern auch das Gründungsjahr der Moskauer Distemper, die sich zunächst dem Trashmetal und Punk verschrieben hatten. Erst ab 1995 wurde die sechsköpfige Band zunehmend auch mit Bläsern bestückt, sodass nun der Ska-Punk Einzug hielt.

Das neue Album "Pride Belief Love" ist sage und schreibe die 15. Scheibe der quirligen Distemper, die gerne auch mal als die "russischen Bosstones" bezeichnet werden. Zurecht. An die raue, fast aggressive und sehr charakteristische Stimme des Sängers gelangt man vermutlich auch erst nach einer gewissen Menge an Wodka und zahlreichen Zigaretten. Die 14 Stücke kommen rein auf russisch rüber und beinhalten überwiegend positive und lebensfreudige Texte.

Klasse Idee, die Texte im Booklet dann auch auf Deutsch anzubieten. Das Cover zeigt einen verrückten Hund, das Markenzeichen der Distemper, der von drei weiteren Hunden auf einem römischen Streitwagen gezogen, durch die Straßen brettert und mächtig Staub aufwirbelt. Wenn man dieses Bild musikalisch umsetzt erhält man einen krassen Ska-Punk der Extraklasse, der kaum Wünsche offen hält. Gute Musiker, fettes Album, Applaus. Man mag gar nicht daran denken, was uns entgangen wäre, wäre diese dämliche Mauer nicht gefallen. DerDUDE

________________________________________________________________________

Dirty Rodriguez - Starting From Scratch - 2013 Dirty Rodriguez - Starting From Scratch - 2013

Dirty Rodriguez, Starting From Scratch, CD 2013, Rotlicht Records



Bei Rodriguez denkt der geneigte Skakenner natürlich gleich an eine Person: Der große und einzigartige Rico Rodriguez. Wenn da nicht das Dirty stehen würde. Dabei ist das Wort "dirty" in der Musikszene so etwas wie "ach ja, fetzig, rockig, ui-Texte, ganz nett." In diesem Falle geht es um Ska-Punk. Nicht mehr und nicht weniger.

 

Zehn Songs kommen hier an den Start und fröhnen auf englischer Sprache der schnellen Variante des Ska. Aus dem tiefsten Westdeutschland trabt die junge Band an und huldigt ihren selbsternannten "Kick Ass Ska Punk". Ich denke jetzt besser nicht an den Film "Kick Ass". Nun ist es mal so und es ist alles gar nicht mal so schlecht. In 2008 finden sich engagierte Musiker zusammen, wechseln die Rollen, ergänzen sich und zack ist das Debütalbum in 2013 da. Es liegt in der Eigenheit von Skabands, sich lange sortieren und neubilden zu müssen, ehe sie den tatsächlichen Einklang, den passenden, funkenden Offbeat finden.

 

Meine anfängliche Distanz neigt sich zunehmend einer positiven Stimmung. Da geht etwas! Coole, etwas raue Stimme, recht harmonische Bläsersektion und eine stimmige, geradlinige Komposition der gesamten CD. Keine großen Experimente. Eine runde Sache. Ich mag sie irgendwie und bin mal gespannt auf Mehr. Für ein Debütalbum eine sehr, sehr feine, überdurchschnittliche Leistung. DerDUDE

____________________________________________________________________________

Dr. Ring Ding Ska Vaganza, Piping Hot, 2012 Dr. Ring Ding Ska Vaganza, Piping Hot, 2012

Dr. Ring Ding Ska - Vaganza – Piping Hot, 2012 Pork Pie

 

In die Knie. Besser lassen sich die Songs auf dem aktuellen Album von Dr. Ring Ding wohl nicht beschreiben. Fast von der ersten Minute an möchte man seine Beine oder gleich das gesamte Fahrgestell bewegen. Hauptgrund dafür ist das Big Band-mäßige, fast schon orchestrale Arrangement der Band. Die bedient sich ungeniert am reichhaltigen Musikbuffet. Je nach Song wird mal Jazz, mal Swing und ab und zu auch Rock N Roll auf dem Plattenteller geschaufelt. Das ist kurzweilig und macht Laune. Dazu mischt sich die raue, leicht angegraute Stimme von Dr. Ring Ding, die das Album fast schon nach einen Sammlerstück aus den 50ern klingen lässt, als nach einer modern produzierten CD aus den frühen 10ern.

 

Zu den Songs: Gesangslastige und rein instrumentale Stücke halten sich die Waage. Wobei man bei den gesangslosen Songs nie das Gefühl hat, etwas zu vermissen. Im Gegenteil, hier toben sich die Musiker aus wie frisch von der Kette gelassen. Anspieltipps: „Dancing with the fat man's lady“, eine schöne Nummer mit Rock N Roll-Einflüssen. Mittanzen ein Muss! Mit „All because I love you“ ist wohl das simpelste, aber auch schönste Liebeslied vertreten, da ich in der letzten Zeit gehört habe. Den Abschluss bildet „Don't give up“. Ein ruhiges, gefühlvolles Duett. Großartig.

 

Patrick Rosensprung

_______________________________________________________________________

Specialized II – Beat Teenage Cancer (2013) Specialized II – Beat Teenage Cancer (2013)

Specialized II – Beat Teenage Cancer (Sampler 2013) - Specials2 Records

 

Nach dem unglaublichen Erfolg des letztjährigen Specialized-Albums haben sich die Organisatoren entschieden einen Nachfolger zu produzieren. Das Prinzip ist das gleiche wie im letzten Jahr, nur das sich dieses Jahr alles um The Beat aus Birmingham dreht.
Der Ansturm der interessierten Bands war unglaublich, neben englischen sind bei diesem Album auch welche aus der Tschechei und Australien dabei. Einige der  Herrschaften sind auch hier zulande bekannt wie z.B. The Talks, Nick Welsh, The Funnadicts und The Rough Kutz.

Insgesamt 44 Tracks bringt dieses Doppelalbum dem Käufer nach Hause wobei natürlich auch in diesem Jahr die Erlöse an den Teenage Cancer Trust gehen.

 

Mir persönlich fehlen auf diesem Album die extrem ausgefallenen Sachen der ersten Ausgabe, ich erinnere nur an den Techno-Track von Onyx & Trax oder das Klaviersolo. Aber auch dieses mal ist genügend Abwechslung geboten so das die Klassiker von The Beat nun in Rock, Punk, Reggae und natürlich Ska gewandet daherkommen.

 

Für jeden Ska-Fan der offen für neues ist und nebenbei gleich noch etwas gutes tun möchte kann ich das Album auf jeden Fall empfehlen.

 

skankman

__________________________________________________________________________

By The Rivers - Debutalbum Mai 2013 By The Rivers - Debutalbum Mai 2013

By The Rivers – By The Rivers

 

Seit die Jungs aus Leicester im Jahre 2011 die 2-Tone Altmeister The Specials auf Ihrer Tour als Supportband begleiten durften, haben sie sich schon eine recht große Fangemeinde in der englischen Skaszene erspielt. Mit dem hier vorliegenden Debutalbum wird diese mit Sicherheit noch anwachsen, ganz besonders bei den Reggaefreunden werden sich BTR noch einiges an Anhang zusammenspielen können.



Aber jetzt zum Album: Bis auf „Don´t say you love me“, welches als gut tanzbare Skanummer daher kommt, bietet der Silberling hervorragend gespielten und produzierten Reggae, der die komplette Bandbreite von Early Reggae bis in dieModerne beinhaltet. Auf  insgesamt elf Songs zeigt die Band was Besucher Ihrer Konzerte schon seit einigen Jahren wissen: hier gibt es Qualität vom feinsten, großartige Arrangements, eine hervorragende Bläsergruppe und jede Menge Jamaica-Feeling.



Zu guter Letzt kann ich aus eigener Erfahrung einen Konzertbesuch von By The Rivers empfehlen. Nicht nur ihre absolute Spielfreude kann beeindrucken, auch die Leichtigkeit, mit der sie ihr Publikum mitziehen ist außergewöhnlich.

 

skankman

__________________________________________________________________________

Offbeat Foundation - First Offbeat Foundation - First

Offbeat Foundation, First, rain records, CD 2013



Es ist manchmal erstaunlich, welche Assoziationen das Hören einer neuen Platte auslösen kann. Beim Hören von „First“, der ersten Veröffentlichung von Offbeat Foundation, der neuen Band um ex-Yellow Umbrella Sänger und Gitarrist Enrico „Mr. Mild Ericson“ Mildner fühlte ich mich schon beim zweiten Song „I Love It“ zurückversetzt in alte Folklore-Im-Garten-Zeiten auf dem Wiesbadener Freudenberg. Der Geruch von Räucherstäbchen in der Nase und der Geschmack von afghanischen Badenjan Borani auf der Zunge. Dazu alle erdenklichen Farben und Tanzen bis in den Morgengrauen. Aber zurück zur Platte…

 

Offbeat Foundation wissen zu überzeugen. Die 14 Titel lassen sich getrost in einem Rutsch durchhören, ohne beliebig zu klingen. Bass, Orgel und Percussion brechen durch einige amüsante Einfälle aus ihrer gewohnten Rolle aus, überlassen die Führung größtenteils dem fetten Bläsersatz, der sich aber an den richtigen Stellen auch zurückhalten kann. Abgerundet wird alles durch die wirklich tolle Stimme von Enrico Mildner. Sehr gefasst, klar und deutlich, aber auch immer an der Grenze zur Heiserkeit. Ergänzend zu Enrico hören wir auf der Platte den Background-Gesang von gleich 3 (!) Sängerinnen. Diese schwingen sich teilweise in Höhen auf, die mir nicht ganz gefallen, aber das ist Geschmackssache. Bei 3 Sängerinnen hätte ich ein Duett erwartet, aber das findet sich leider nicht auf der Scheibe. Schade. Vielleicht beim nächsten Album.

 

Die Stücke sind an traditionellem Ska orientiert, nehmen den Hörer aber mit auf eine Reise durch die gesamte Karibik bis hinüber nach Afrika. Das Album verdient somit nicht nur das Prädikat „Ska“, sondern auch „Reggae“ und „Weltmusik“.

 

Fazit: Offbeat Foundation haben mit „First“ vielleicht keinen neuen Klassiker geschaffen, aber Alles in allem eine rundum gelungene Scheibe. Ich bin mir sicher, dass man noch einiges von dieser Combo hören wird und sie eine der Festival-Highlights in den kommenden Jahren werden kann.

 

Patrick Rosensprung

__________________________________________________________________________

Skaputnik - schwarz weiss ist nicht bunt genug Skaputnik - schwarz weiss ist nicht bunt genug

Skaputnik, schwarz weiß ist nicht bunt genug, Record Jet, CD 5/2013

Volles, österreichisches Bläservolumen trifft auf Ska. Oder man könnte es auch als intellektuelle Stilvielfalt mit einem bläserbetonten Klangboden beschreiben. Jedenfalls ist  alleine die Aufwartung von neun Musikern ebenso fett wie die Tatsache, dass uns gleich teils mehrfach Orgel, Piano, Posaune, Tuba, Tenor-, Alt- und Sopransax um die Ohren geschmettert werden. Das schreit nach Balkaneinflüssen. Und genau die sind immer wieder dabei. Polka und hoch die Tassen. In Teilen ist mir das dann auch einfach etwas zu langsam.

Die 13 Songs, inklusive Instrumentalmusik, versprühen eine derartige Vielfalt, dass bei jedem Beitrag wieder ein Fragezeichen beantwortet werden muss, was auf einen zukommt. Da gibt es auch mal ein musikuntermaltes Gedicht zu hören. Ja, richtig gelesen, ein Gedicht. Der Rezipient darf sich dann auch über englische und deutsche Texte freuen, die sich zwischen Politik und Alltag bewegen. Zunehmend angesagt ist auch der Einsatz von Dialekten; in diesem Fall oberösterreichischer Dialekt. Das muss man jetzt nicht immer haben, denn die etwas punkig, rauchige Stimme gefällt doch ganz gut. So bei Song fünf "Rock, Bittsch".

Die gute Qualität, das gute, informative Inlay und Design der CD rundet das Projekt ab und lässt mich zum Schluss doch noch von drei auf vier Sterne erhöhen. DerDUDE

__________________________________________________________________________

dub à la pub - Accelerate! dub à la pub - Accelerate!

dub à la pub, Accelerate!, 3room records, CD 2013

Die neunköpfige Reggaeband aus Augsburg fällt zunächst durch den dreiköpfigen Gesang auf. Zwei engagierte Sänger und eine motivierte Sängerin treiben die Songs vokalistisch nach vorne. Dass es hier nicht auffällt, dass sie aus Bayern kommen, liegt an dem professionellen, englischstämmigen Gesangsbrüderpaar.

Den European Reggae Contest gewannen sie 2011, was ich - ehrlich gesagt - nicht so heraushöre. Wie auch. Nach "Decelerate!" (entschleunige!) kommt nun die neue Scheibe mit dem Titel "Accelerate!" (beschleunige!) an den Start. Ob das nun bedeutet, dass der neue Silberling an Tempo aufnimmt ist schwer zu sagen. Geboten werden 14 reggaelastige Songs, die Anleihen an Ska, Swing, Dub, Calypso und einigem mehr haben. Textinhaltlich bietet die englischsprachige Produktion alles zwischen Gesellschaftskritik über Liebe bis hin zu reinem Spaß. Anspieltipps wären z.B. "Monkey Dream" oder auch "Augsburg City".

Irgendwie wollen mir die lobenden und faszinierenden Wörter nicht so richtig über die Lippen gehen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass wir immer noch auf den Sommer warten. DerDUDE

__________________________________________________________________________



Karamelo Santo - Karamelo Santo Karamelo Santo - Karamelo Santo

Karamelo Santo, "Karamelo Santo", Soulfire Artists / Rough Trade, CD 6-2013

Geht das ab! Einmal anschnallen, coole Sonnenbrille auf und ab in den musikalischen, heißen und schnellen Sommerspaß aus Argentinien. Seit fast 20 Jahren gibt es das "Heilige Bonbon", so die Übersetzung des Bandnamens, der hier gleich auch zum Albumtitel gewählt wird, welches just Ende Juni 2013 auch hier die geneigten Ohren erreicht.

 

Steil ab geht die wilde Combo aus Buenos Aires und Mendoza, wenn in wechselndem Tempo Latin-Ska, Reggae, Cumbia, Rock und Punk immer wieder zu einer Einheit geführt wird, wie es nur die Südamerikaner hinbekommen. Ein voluminöser Soundteppich, wo jedes Instrument scheinbar verrückt spielt und dennoch die Freude an der Gemeinsamkeit, ja die flammende Lust am musikalischen Konglomerat obsiegt.

 

Fast zum guten Ton gehört es dann auch, politische Texte zum Besten zu geben. Nichts würde hierbei besser passen als der abrundende, deftige Sound der melodiösen, spanischen Sprache. Unverwechselbar hart, spitz und dennoch so sympathisch. Ein sehr, sehr vielfältiges Album, da auch nicht davor gescheut wird, Ska-Punk-Sessions traditionelle Lieder folgen zu lassen.

 

So scheint der Sommer in Deutschland auf diese Scheibe gewartet zu haben, damit es jetzt endlich losgehen kann. Mit dem Sommer, der Sonnenbrille und der südamerikanischen Freude an der Musik. Empfehlenswert. Und Augen auf! Sie sind in Europa und Deutschland diesen Sommer auf Tour.



DerDUDE

__________________________________________________________________________

Rantanplan - Pauli 2013 Rantanplan - Pauli 2013

Rantanplan, "Pauli", Tao Music, CD 4/2013



Bei Rantanplan denkt der ein oder andere vielleicht eher an den kleinen, liebenswerten, dusseligen Hund bei Lucky Luke. Entstehungsgeschichtlich ist das gar nicht mal so weit hergeholt, da der Bandname tatsächlich ein Gegenstück zu den damals üblichen Bandnamen von Kampfhunden wie Pitbull oder Bullterrier war. Knuffig.

 

Die 1995 in Hamburg gegründete Band besitzt aktuell sechs Mitglieder, wobei ein ständiger Mitgliederwechsel schon fast zum Markenzeichen gehört. Mit "Pauli" gelingt der Skapunkformation noch einmal ein kleines Glanzstück. Das achte Album ist ehrlich, professionell produziert und wie immer mit eine großen Portion Humor, Zynismus und Augenzwinkern bestückt. Gehuldigt wird die Heimat St. Pauli, der Kiez und natürlich der FC St. Pauli, was dann auch das weiß-braun-rote Cover erklärt.

 

Die dreiköpfige, gewaltige Bläserfraktion begleitet den doch dominierenden punkigen Part aus schneller Gitarre, prägendem Bass und gutem Leadgesang. Präsentiert werden 14 eloquente Texte in deutschem Gewand. Kostprobe? "Deutschland du Opfer gib Handy". Nah an der jungen Zunft und irgendwo doch textlich reichlich verspielt. Beim Anspieltipp werden sich alle einig sein: "Wir sind nicht die Onkelz". Eine klare Ansage.

 

Insgesamt eine prima runde Sache, die weniger mit Ska als mehr mit einer hohen Identifikation mit Hamburg und der punkalternativen Szene zu tun hat. Was mir bei dieser Band immer sehr gut gefällt ist eine gewisse Bodenständigkeit. Trotz zahlreicher  Besetzungswechsel strebt das Team immer nach dem gleichen Ziel: Guten Skapunk zu produzieren, der live für eine Megaparty und viel ausgelassenem Tanzvergnügen sorgt. Bereits elf Gigs sind auf der bundesweiten Releasetour 2013 am Start. Wer da nicht auf den Hund kommt. Rantanplan ist jedenfalls näher an der ersten Liga als der FC St. Pauli mit seinem 12. Platz in Liga zwei. Aber vielleicht wartet Rantanplan auch auf die Fußball-Heroen, um gemeinsam die erste Liga zu stürmen. An Solidarität wird es nicht scheitern. Alles ein sehr rundes Paket. Variable Mucke. Volle Sympathie und ein Kauftipp!

DerDUDE

________________________________________________________________________

Sally Brown, El sonido del manana ... hoy!!!, Redstar73 Records, CD 2013

Ska aus Madrid, der sich an die Skazeit der Achtziger Jahre anlehnen soll. War ich da woanders? Wie dem auch sei. Die in 2004 gegründete, spanische Vereinigung besteht aus sieben Mitgliedern, die musikstilistisch einem Mix aus Ska, 2-Tone, Reggae und Pop nachgehen. Auffällig ist die etwas ungewöhnliche Gewichtung von Stimmen und Instrumenten. In den zehn Stücken spielt ein Saxophon mit zwei Gitarren und einem Gesangsduo. Für 2-Tone-Ska-Bands jedenfalls eine recht kleine Bläsersektion.

Nach 2007 und 2010 folgt die dritte Veröffentlichung mit dem doch etwas umständlichen Titel "El sonido del manana ... hoy!" - Der Ton des Morgens. Ganz ehrlich, wenn mich der Sound mit dem schrillen Saxophon und der noch schrilleren, weiblichen Stimme Morgens wecken würde, wäre ich definitiv wach. Die Stimme ist doch recht gewöhnungsbedürftig. Vielleicht auch nicht immer ganz glücklich abgemischt. Man muss ja nicht alles aus den Achtzigern übernehmen.

Der Bandname "Sally Brown" ist doch recht bekannt, so stammt gleichnamiger Song von keinem weniger als Laurel Aitken. Später auch gecouvert von den Bad Manners und vielen anderen Bands. Aus dem feurigen Madrid und der Musik- und Kulturstadt Barcelona erwartet man evtl. auch schnell etwas ganz Besonderes. Hier muss einfach auch mal ein "gut" reichen.

DerDUDE

________________________________________________________________________

Streetlight Manifesto - The Hands The Thieve Streetlight Manifesto - The Hands The Thieve

Streetlight Manifesto, "The Hands That Thieve", Victor Records, CD 4/2013

 

Und da schwappt er wieder rüber, der sehr eigene und charakteristische Ska-Punk aus Übersee. Genauer gesagt aus New Jersey, USA. Diesmal kann ganz offen der Vergleich zu Catch 22 herangezogen werden, denn drei der Gründungsmitglieder in 2003, Kalnoky, Ansley und Egan, stammen aus dieser Ska-Punk-Combo, die deutlich durch die dritte Skawelle geprägt ist. Bis heute geblieben ist Kalnoky, der unverwechselbare Kopf und  Sänger der Band Streetlight Manifesto, den Erleuchtern der Straßen.

 

Nach etwas Hin und Her, die Scheibe sollte schon Ende 2012 auf den Markt kommen, ist sie nun Ende April 2013 aus der Taufe gehoben worden: "The Hands That Thieve". Wie bei dem ein oder anderen Song, so ist auch der Albumtitel offen für Interpretationen, so die Band. Klar ist dennoch, dass es überwiegend kritische Töne sind, mal offener, mal verdeckter. Auch das Cover ist weit weg von plakativen Floskeln. Aber eine reisserische, laute und quirlige Ska-Punk-Band könnte wohl kaum musikalisch einen zierlichen, gemächlichen und sanften Sonnenuntergang beschreiben.

 

Die sieben Amis präsentieren zehn, fetzige, saubere Songs, die durch die raue Stimme, melodische Einlagen, gewaltige Begleitchöre und brachiale Bläsereinsätze dominiert werden. So kennen wir unsere sehr agilen SKAmis. (Ok, 5 Euro in die Phrasen-Kasse) In diesem fünften Album erlaubt sich das Septett aber auch wenige leisere, balladenartige Töne, umwoben von Jazz- oder Folkeinflüssen, so im Song "Toe To Toe". Warum nicht. Wer schon vorher auf amerikanischen Ska-Punk stand, liegt hier voll richtig. Ska-Puristen dürfen Draussen bleiben.

 

DerDUDE

________________________________________________________________________

F.B.I. - SKAship F.B.I. - SKAship

Fast Beat inc. - F.B.I., SKAShip, hfb-records, CD 12/2012

 

Im Dezember 2012 brachte die fünfköpfige, freiburger Band Fast Beat Inc. kurz  F.B.I. ihr erstes Album "SKAship" heraus. Ganz so neu ist die quirlige Formation allerdings nicht, denn sie sind aus der Auflösung der "Blue Babies" Ende 2011 hervorgegangen und haben einen großen Teil der Besetzung beibehalten. Elegant ist der Übergang der Namensgebung, da die letzte CD der Vorgängerband bereits als Titel "F.B.I." trug. Geblieben ist vor allem das charakteristische Akkordeon, welches fast jedes Lied markant prägt.

  

Skaship ist eine klasse Metapher für eine musikalische Reise, die durch schwankende Wellen zwischen fetzigem Rock und offbeatlastigen Ska sowie schnellen und langsameren Stücken gekennzeichnet ist. Sie selber nennen ihre Musik "Ska-y-Rock", was anders nicht besser beschrieben werden könnte.

 

Die durchgängig englischen Texte werden von einer guten, rockigen und melodischen Stimme präsentiert. Die selbsternannten "Tempoagenten" navigieren ihr Offeatschiff entlang von 13 Stücken, wobei das witzige Intro, das Interlude sowie eine verkürzte Radioversion auf eher zehn Songs verweisen. Lied zwei "SKAship Navigators" sowie Song sieben "Triumph Tiger 800" sind sehr gute Anspieltipps, um die Wogen zwischen rasant-rockigen und ska-melodischen Stilen zu beschreiben - klasse! Fröhlich gecovert wird auch.
Und zwar "Beds are Burning" von Midnight Oil, dessen Text scheinbar nie seine Aktualität verliert. Das man sich bei Song drei "Welcome" in eine Zirkusmanege mit trabenden Pferden versetzt fühlt, ist vielleicht nur mein individueller Spleen. Das muss ich nicht haben. Anyway. Die Bewertung fällt leicht: Angeheuert, Segel gehisst und ab geht die wilde Fahrt mit den SKAship Navigators!

 

DerDUDE

_____________________________________________________________________



SkaBucks - Trucks Are Good SkaBucks - Trucks Are Good

SkaBucks, "Trucks Are Good", Suspect records, CD 2/2013

 

Laut und mit Getöse schallt es von den österreichischen Bergen, könnte man sagen, aber das ist genau falsch. Denn Linz, wo die sieben Skapunkrocker herkommen, liegt genau vor den Alpen. Da ihnen dort die Echos der Berge und die Schallwellen der Täler fehlen, treten die etwas durchgeknallten SkaBucks gleich mit zwei Trompeten und zwei Posaunen auf. Das ist natürlich nur eine schamlose und freche Behauptung.

 

Aber von Vorne: Mit "Trucks Are Good" veröffentlichen die Linzer Anfang 2013 ihr zweites Album und präsentieren einen krachigen Mix aus Punkrock, Ska und Hip-Hop. An selbstbewusstsein fehlt es den Jungs nicht, wenn sie ihre CD als "the most exciting record in entertainment history!" ankündigen. Kommt mal wieder vom Berg runter will man sagen, aber das geht ja nicht s.o. Die blauen Trachtenanzüge auf einem ihrer Fotos lassen einen zunächst erschaudern und Böses befürchten.



Unbegründet: Die große, breite Bläsersektion hält was sie verspricht. Stimmgewaltig und oft mit Chorgesang begleitet klinken sich die Vocals in das voluminöse Skapunkrockgemisch ein. Das sie als Vorband von Reel Big Fish und Less Than Jake gespielt haben, ist definitiv kein Zufall, sondern ein Wink mit dem Zaunpfahl. Mit 15 Songs eine feine, runde Sache. Ob die Bucks nun von den Alpen rollen bleibt abzuwarten.



DerDUDE



P.S.: Das gerade jetzt die Homepage off ist, ist etwas schade. Will man doch wissen, was es mit den Bucks und dem durchgängig auftretenden Bären auf sich hat. Text- und gesanglich taucht er eigentlich nur in Song zehn "Teddy Bear Blues" auf.

_________________________________________________________________

aRevo - Das Orange Album aRevo - Das Orange Album

Announced Revolution, Das Orange Album, Soulfire Records, CD 2013

 

Nach dem weißen Album der Beatles und dem schwarzen von Metallica veröffentlichen Announced Revolution nun als logische Konsequenz „Das Orange Album“. Die achtköpfige Band aus Wien (auch bekannt unter dem Namen aRevo) steht hierbei für „Gute-Laune-Ska“ mit einer ordentlichen Portion Rock. Die 14 Songs gestalten sich stilistisch sehr abwechslungsreich und sorgen immer wieder für gelungene Überraschungen. Häufige Tempowechsel und die Mischung unterschiedlicher Genres erzeugen dabei ein kurzweiliges Hörerlebnis, das nach vorne geht und nicht locker lässt.

 

Die hauptsächlich deutschsprachigen Texte bewegen sich zwischen humorvoller Leichtigkeit und sehnsuchtsgetränkter Melancholie und werden von spielfreudigen Bläsern kommentiert, die – wie bei vielen Ska-Bands – auch hier viel Raum für treibende Melodien und zahlreiche Soli bekommen. Announced Revolution haben Spaß an der Musik, die sie machen und lassen sich in keine Schublade stecken. Frei nach dem selbst gewählten Motto„Tanz den Ska Reggae Zirkus, Baby!“ betonen die Österreicher ihre Leidenschaft für bunte Vielfalt, jamaikanischen Groove und pure Tanzlaune. Die Umsetzung ist ihnen auf ihrem aktuellen Album gelungen und dürfte auch live hervorragend funktionieren!

 

 Andreas Rüttger

__________________________________________________________________________